Franz-Hofer-Preis / Filmhaus Award 2005

für "RHYTHM IS IT" von Thomas Grube

 

Am Samstag, 23. Juli 2005, wurden im Rahmen einer OPEN-AIR-Veranstaltung im völlig überfüllten Innenhof des Filmhauses die "Filmhaus Awards 2005" vergeben. Der mit 1.500 € dotierte "Filmhaus Award" wurde von Kulturdezernent Walter Schwarz-Paqué dem Berliner Regisseur Thomas Grube für seinen Film "RHYTHM IS IT" übergeben. Karin Nehl und der Bundestags-abgeordnete Dr. Karl Addicks von der FDP Saarbrücken überreich-ten den "Filmhaus Ehren Award" an den Saarbrücker Kameramann Klaus Peter Weber für dessen Verdienste um den deutschen und luxemburgischen Film.


Filmhaus Award 2005 für RHYTHM IS IT!

Der bestbesuchte Film von jungen deutschen Filmemachern im FIlmhaus überhaupt und der bisher bestbesuchte Film im Filmhaus in diesem Jahr. Der Filmhaus Award 2005 geht an Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch für diesen phänomenalen Film mit Sir Simon Rattle, den Beliner Philharmonikern, den Choreographen Royston Maldoom, 250 Kindern und Jugendlichen und Strawinskys "Le Sacre du Printemps". Begeisterte Zuschauerreaktionen.


Hier einige Pressestimmen:

Kultur Regional von Robert Braun ....

SZ von Thomas Reinhard .......

SZ Interview mit Thomas Grube von Tobias Kessler ....

"Laudatio"
für Thomas Grube und den Film "RHYTHM IS IT"
zur Verleihung des FILMHAUS-AWARD 2005
gehalten am 23. Juli 2005, Filmhaus/Saarbrücken
von Matthias Kaiser
(Operndirektor/Saarländisches Staatstheater)

Liebe Filmfreunde,
verehrter Thomas Grube,

dass Sie für Ihren wunderbaren Film heute den Filmhaus Award erhalten würden, ahnte man lange vor der Vergabe des Deutschen Filmpreises an Sie und Ihr Team. Was das heißt? Es spricht für die Weitsicht der Jury des deutschen Filmpreises... und die Saarländischen Kinogänger, die "Rhythm is it" zum best besuchten Film deutscher Filmemacher im Programm dieses Kinos gekürt haben.
Es ist für mich eine Ehre und ein Vergnügen, Ihren Film hier würdigen zu dürfen. Als Theatermann gehöre ich zwar nicht zu Ihrer "Film-Familie", darf Ihnen aber versichern, in der Sache dürfen Sie uns zu den engsten Verwandten zählen.
Angekündigt wurde im Festprogramm für heute Abend eine "Laudatio". Das klingt immer ein wenig nach 50. Geburtstag (mindestens), "Lebenswerk" oder Ruhestand. Ich würde es daher gerne eine Nummer kleiner machen und Ihren Film lediglich begründet loben. Wie jeder weiß, der künstlerisch oder politisch tätig ist, öffentlich kommentiert und beobachtet wird, oder sich dazu journalistisch berufen fühlt, ist Kritisieren immer leichter als Loben. Das stimmt tatsächlich meistens - im Fall von "Rhythm is it!" hingegen stimmt es nicht.
Der Filmhaus Award wird vergeben an den Film "Rhythm is it"! Nicht an das Projekt der Berliner Philharmoniker mit Berliner Jugendlichen für eine choreografierte Aufführung von Igor Strawinskys "Le Sacre du printemps". Das scheint mir wichtig, noch einmal zu betonen - denn neben der Kraft, der Phantasie und der Klugheit der Berliner Projekt-Macher, hat es die gleiche Kraft, Klugheit und Phantasie eines Dokumentarfilmers daneben schwer.

Aber bitte erwarten Sie nicht, meine Damen und Herren, dass ich mich auf mir fachlich wenig vertrautes Terrain begebe und Kameraführung, Schnitt, Licht usw. als Fachmann lobe. Ich lobe es, weil es mich als Theatermann gefangen hat; nicht von Anfang an, sondern allmählich, immer stärker, bis zum Gebanntsein am Ende - eine Spannungskurve, die den Entstehungsprozess des gesamten Projekts nachzeichnet.
Sie merken es: Hier lobt der Dramaturg! Die Mühsal der Beschränkung hat sich gelohnt, und der Spannung, die nun mal unser Geschäft ist, gedient (man vergleiche etwa das lediglich epochale Ausmaß besitzende Mammut-Dokumentations-Projekt von Syberberg über Winifried Wagner - dort fasziniert das Grauen, bei Ihnen die Lust!).

Sie zeigen das Ergebnis der dokumentierten Theaterarbeit, die Premiere in der Treptow-Arena nur am Ende Ihres Filmes und relativ kurz - das ist klug und mutig zugleich. Dramaturgisch klug ist es, weil Sie die Spannung auf den Tag X nie aufgeben; mutig ist es, weil Sie die Allwissenheit (und Allmacht) des Berichtenden zurückstellen hinter die Zeitschiene des Erlebens ihrer Protagonisten. Wir dürfen uns Kraft Ihrer präzis kalkulierten Erzählweise nie klüger fühlen als Ihre "Helden". Das ist heilsam gegen intellektuelle Arroganz.
Trotzdem: Einmal blitzt sie vorzeitig auf, die "fertige" Vorstellung. Dies ist meine persönliche Lieblingssequenz des Filmes: Simon Rattle berichtet über die Intensitätssteigerung nach dem Hören und Spielen von Musik - die Farben erscheinen plötzlich zehn Mal intensiver, genauso wie Geschmack, Geruch und alle anderen sinnlichen Wahrnehmungen. Davon spricht er mit seinem verschmitzten hintersinnigen britischen Understatement - als plötzlich im originalen Licht mehrere gestreckte Finger einiger Tänzer die ungeheure Energie anzeigen, die der unermüdlich rackernde Choreograph Royston Maldoom immer wieder für die jetzt einmal kurz aufblitzende Premiere beschworen hatte. Ein paar Energie geladene Hände (gut beleuchtet, das stimmt wohl...) - und das ganze Geheimnis eines Theaterabends - nein: entschlüsselt sich nicht; es entfaltet sich!
Das ist Theater pur - intelligent - weil aufs äußerste reduziert - ins Bild gesetzt. Überhaupt: Uns Theaterleuten wird (nicht ganz zu Unrecht) nachgesagt, dass wir - im besten Fall - eifersüchtig aufs Kino wären. Dem entgegne ich meist unerschrocken mit aufrechtem Minderheiten-Trotz, dass auch die Malerei durch die Erfindung der Fotografie nicht verendet sei; dieser Film aber zeigt, dass Partnerschaft zwischen unseren Schwesterkünsten im besten Sinn möglich und auch noch für beide Seiten nützlich ist.
Was heißt im besten Sinn? Unsere jeweiligen Stärken bündeln auf ein gemeinsames Ziel. Die Faszination des unwiederbringlichen Augenblicks ist - gestatten Sie mir die Vertraulichkeit - dieses gemeinsame Ziel. Das ist in diesem Dokumentarfilm gelungen, wie ich keinen zweiten wüsste. Zu ahnen, besser: zu wissen, wann und wo Entscheidendes und Filmbares sich ereignet, ist eine für diese Dokumentation meisterlich beherrschte Kunst. Denn ist der entscheidende Augenblick vorbei, können auch die besten Dokumentaristen ihn nicht zurückholen. (In diesem Punkt sind wir Theaterleute Ihnen sehr nah!). Hat man ihn aber eingefangen, dann ist er reproduzierbar geworden, der große Moment samt seiner Aura (In diesem Punkt sind wir ihnen neidvoll fern...).
Ein besonderes Faszinosum dieses Films liegt hier: Nicht nur die wichtigen Bilder, auch die wichtigen Sätze sind dokumentiert. In der Theaterarbeit soll es sie auch während des Probenprozesses geben - doch bei uns sind sie für immer fort und meist vergessen. Gegen dieses Vergessen arbeitet der Film an. Und wie viele gute Sätze gibt es zu hören und zu sehen! Ob Sir Simons Statements im Interview oder vor den Philharmonikern, Roystons Klugheit oder die Ehrlichkeit der vier Jugendlichen. Besonders das Letztere einzufangen, bedarf es mehr als eines Mikrophons und einer Kamera - es bedarf Vertrauen, Geduld und Einfühlung. Diese Tugenden, Ihre Tugenden haben diesen Film mitgeprägt.
Um noch einen Augenblick im Vergleich Theater - Film zu bleiben: Das was hier am Schneidetisch geleistet wurde, können wir Außenstehende wohl kaum adäquat würdigen. Doch der Fleiß, die Intuition, die Handwerkskunst und der konzeptionelle Überblick, der hier gefordert war, drängt sich auf, mit unserer Probenarbeit im Theater verglichen zu werden; das, was hier nach der Theaterpremiere kam, liegt bei uns davor. Das ist unser Vorteil: Einsam sind wir vor der Probenarbeit; Sie waren es gewiss nach der "Sacre"-Premiere im Schneideraum.
Obwohl ich kein Cineast bin, gestatten Sie, dass ich zwei "Gewerke" ganz besonders lobe: Ton und Schnitt nämlich (vielleicht, weil ich von Rhythmus und Klang noch relativ (relativ!) am meisten verstehe). Mit welcher Sorgfalt hier aufgenommen, bearbeitet und musikalisch zugeordnet wurde, steht einer selbstständigen musikalischen Komposition in Nichts nach! Und die Faszination der Musik ist Strawinsky, den Philharmonikern und Ihrer Toncrew zu gleichen Teilen geschuldet. Und was den Schnitt angeht - hier ist wirklich Rhythmus! Tempo, Gliederung, Synchronität vieler Ebenen, Überraschung und Kontemplation sind tatsächlich meisterhaft komponiert. Wie ein gutes Musikstück eben - viel Strawinsky-Hören scheint ansteckend zu sein...

Genug von den Tugenden der Kunst-Arbeit - reden wir einen Moment von Schönheit. Dass Berlin den Metropolen-Charme von New York oder London haben könnte, hat mir überraschenderweise dieser Film gezeigt; doch wichtiger am gezeigten Berlin ist der Kontrast der Gesichter zum Pflaster, der Lebendigkeit zur Kälte (welch ein Glück für den Dokumentaristen, dass dies Projekt im Winter stattfand - den kreativen Blick für die beiden schwarzen Jungs im Schnee muss man allerdings trotzdem erst einmal haben!).

Die Verwandlung von Alltag in Kunst, dieser magische Prozess, der den Zuschauer verführt, die Schönheit in der Vereinigung von Sinn und Erscheinung anzuerkennen, diese Magie der theatralen Verwandlung dominiert "Rhythm is it". Und beeindruckend ist dabei noch dazu: Der Film, das Film-Machen und die Macher treten vor dieser Magie zurück.
Schönheit entsteht im Auge des Betrachters - wie wir wissen. Daher ist der Film eben auch schön, weil er oft schweigsam ist. Er lässt uns Zeit zum Hinsehen. Kein verbaler Autorenkommentar zwingt uns eine Einschätzung des Gesehenen auf. Der Film lässt uns Betrachtern die Entdeckerfreude (und den Machern die heimliche Freude, das es gelingt - nehme ich an).
Also: Schön ist dieser Film ganz sicher; wichtig, besser: bedeutend (in des Wortes ursprünglichem Sinn) natürlich auch.
Er ist bedeutend
- für die jungen Tänzer, die ein wunderbares Dokument ihres ganz persönlichen Erfolges besitzen

- für die Berliner Philharmoniker, die sich zwar noch nie über mangelnden Beifall beklagen konnten - ihn nun aber von Menschen erhalten, denen sie zum ersten Mal begegnen
- für das Choreografen-Team, das einen um das nach zig Tausenden zählende Filmpublikum vergrößerten Dank für ihre jahrzehntelange Arbeit an der Kunst der Bewegung erhalten
- für Simon Rattle, dem bestätigt wird, dass es zwischen Hochkultur und der Straße keine unüberwindliche Barriere gibt
- für Strawinskys "Sacre", das neue Fans gefunden hat

Der Film ist wichtig
- für die Jugendlichen, die sich zuschauend wieder finden und vielleicht einen ähnlichen Mut und Stärke in sich entdecken
- für die Menschen, die bisher nicht ahnten, welch harte und existentiell fordernde Arbeit Theatermachen ist
- die im besten Fall verzweifelten, im schlimmsten Fall larmoyanten Künstler, die glauben, es lohne sich nicht mehr...
- das Kulturmanagement, das sich fürchtet, die Grenzen ihrer Institute zu öffnen
- für unser aller Selbstbewusstsein, dass in Deutschland ein solch internationales Projekt möglich ist (international in Deutschland - das wäre ein Ziel...)

Nicht gut ist dieser Film - und dafür gebührt ihm besonderes Lob - für diejenigen, die glauben mit Kulturstreichungen Ihr populistisches Mütchen kühlen zu dürfen (zum Mut hat's bei denen ja noch nie gereicht).
Es ist ein grandioser Film über die Einheit des Sozialen, des Künstlerischen und des Existentiellen.
Ich kann hier nur mit Worten loben. Doch auch ein tatkräftiges Lob scheint möglich: Nämlich angeregt durch Ihren Film das Berliner Projekt nachzuahmen. Ja, es häufig und an vielen Orten zu reproduzieren. Es wäre zu wünschen und ich bin eigentlich sicher, dass viele meiner Kollegen ähnlich denken und handeln werden.
Zum Schluss noch eine Anerkennung nicht an den Regisseur, sondern an den Produzenten: Dass Sie es geschafft haben, die Berliner Philharmoniker ohne Fix-Honorar für die Abgeltung der sogenannten Leistungsschutzrechte zur Mitwirkung zu bewegen, sondern wie alle lediglich auf Basis einer Gewinnbeteiligung, ist ein schieres Wunder!
Auch mir persönlich hat dieser Film Mut gemacht. Denn um eine so gute Dokumentation zu drehen, bedarf es eben auch eines lohnenden Objekts.
Wie - zum Beispiel - das THEATER.
Verehrter Herr Grube: Wenn denn hoffentlich irgendwann einmal die Gewinnausschüttung Ihnen ein gewisses Gefühl der Freiheit suggerieren sollte - wir alle sind sehr gespannt auf
"Rhythm is it - The director‘s cut"!

Ich danke Ihnen!
Und Ihnen, liebes Publikum!

Filmhausleiter Albrecht Stuby und Kulturdezernent Walter Schwarz-Paqué

Unser geschätztes Publikum

Das Rahmenprogramm wurde gestaltet vom Fritz Maldener Trio

Matthias KAISER vom Saarl. Staatstheater hält die Laudatio.

Kulturdezernent Walter Schwarz-Paqué überreicht den begehrten Preis.

Der strahlende Gewinner, Regisseur Thomas Grube

Die Preise: Die pinkfarbenen Neonlampen für den Filmhaus Award und den Filmhaus Ehren Award 2005

2005 Ehren Award